Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
07.06.2017


Revision 3.0
Atlantikflüge IL-18

Atlantikflüge der Interflug mit Flugzeugen IL-18D

Die mittlerweile „in die Jahre“ gekommene Langstreckenvariante IL-18D konnte besonders im internationalen Passagierverkehr auf Mittel- und Langstrecken gegen modernere Flugzeugmuster nicht mehr konkurrieren. Die Bedingungen an Bord für die Passagiere waren einfach nicht mehr zeitgemäß. Andere Flugzeugtypen boten dem Passagier bereits erheblich mehr Komfort hinsichtlich der Möglichkeiten des Bordbuffets, der Bequemlichkeit der Bestuhlung und geringerer TW-Geräuschbelästigung.
Das Einsatzspektrum reduzierte sich deshalb auf immer speziellere Aufgaben.
Nachstehend wird von 3 typischen Beispielen aus dieser Zeit berichtet:

Transport von Impfstoff nach Argentinien im Juli 1977

Im Juli 1977 mussten kurzfristig 13 Tonnen Masern-Impfstoff nach Argentinien transportiert werden. Aus Kostengründen konnte eine IL-62 nicht verwendet werden. Deshalb sollte die DM-STM, eine der beiden IL-18-Frachtmaschinen, zum Einsatz kommen. Dabei galt es für die Atlantiküberquerung und 14000 km bis zum Zielort mehrere Dinge zu beachten:

  • Die Fracht, die eine Umgebungstemperatur von 8 bis 12 ° C benötigte, musste auf 2 Flüge verteilt werden.
  • Die technische Sicherstellung des Fluges musste bei einem Gewichtsminimum von mitzuführenden Flugzeugersatzteilen und mitfliegendem Personal erfolgen. Eine technische Hilfeleistung von anderen Unternehmen war auf dieser Strecke nicht zu erwarten.
  • Eine Instandsetzung von Bordanlagen war bei der Mehrzahl der Bordgeräte während des Fluges nicht gegeben und musste am Boden erfolgen.

In enger Zusammenarbeit zwischen der Il-18-Staffel (Bording. Willi Jarant) und der Flugtechnik (Faching. Joachim Leihbecher) erfolgte eine sorgfältige Flugvorbereitung.
Kurzfristig wurden die Unterlagen für eine I1-18-Atlantikkontrolle erarbeitet. Der mitfliegende Techniker erhielt in den Fachgebieten Elektro, Triebwerk und Hydraulik eine praktische Einweisung, um eventuelle Reparaturarbeiten mit speziell bereitgestellten Ersatz- und Kleinteilen durchführen zu können. Zur Flugvorbereitung wurden insbesondere die Dopplerradaranlage und das Kurssystem KS-6, sowie die Hauptmessgeber des Autopiloten AP-6E bei einem Sicherheitsflug sorgfältig überprüft.
Am 16.Juli 1977, gegen 20.00 Uhr, waren alle Vorbereitungsarbeiten dieser Art für den ersten Atlantikflug abgeschlossen.

AP-6

Autopilot AP-6 E, Kursanzeigegerät mit mechanischer Kompensiereinrichtung für den Methodenfehler der Potentiometer-Fernübertragung vom Kurskreisel zum Anzeigegerät

Joachim Leihbecher nahm als Techniker und Ersatzsteward am Atlantikflug teil. Er erhielt von einem Mitarbeiter des VEB Sächsisches Serumwerk Dresden Hinweise über verschiedene Messstellen zur regelmäßigen Kontrolle der Umgebungstemperatur des Impfstoffes. Ein DDR-Zöllner überprüfte mittels einer Liste die Werkzeugbehälter und die Ersatzteilkisten. Danach wurde die Bordverpflegung vom Catering übernommen. 13.30 Uhr MESZ erhielten wir vom Tower die Freigabe, um als IF 1724 zur Startbahn zu rollen. Mit 6,5 Tonnen Masern-Impfstoff an Bord hob die DM-STM in Richtung Südamerika vom Boden ab.
Beim Überflug von Prag hatten wir unsere Reiseflughöhe erreicht. Nach vier Flugstunden war die Nordküste von Afrika in Sichtweite. In ALGIER war ein kurzer Tankstop eingeplant. Hier konnte auch der erste Defekt an der Bordradaranlage RPSN-2 beseitigt werden. Der Antennenreflektor verharrte am linken Anschlag. Das zuständige Umschaltrelais musste gewechselt werden (eine technische Schwachstelle der Radaranlage). Mittels einer vorbereiteten Klemmverbindung konnte das Relais schnell ausgetauscht werden.

RPSN-2

Die Antenne (Block 1) der Bordradaranlage RPSN-2 war das erste Reparaturobjekt des Fluges

Um 18.30 Uhr MESZ = 16.30 GMT erfolgte der Weiterflug in Richtung Tanger. Auf Gran Canaria war der nächste Tankstop vorgesehen. Wir hatten jedoch ideale Wetterbedingungen mit geringem Gegenwind. Die Flugbedingungen erlaubten es,  dass wir Las Palmas überfliegen und direkt zu den Kapverden flogen. Als Ausweichflughafen war Dakar vorgesehen und die Insel Sal (Kapverden) war das nächste Flugziel. Die Sal verfügt über einen gut ausgerüsteten Flughafen für den Nachtflugverkehr. Mittels Funknavigation erreichten wir nach 6,5 Flugstunden unser Flugziel. Dort erwartete uns die neue Crew, eine Doppelbesatzung unter der Leitung von Ernst Koppe und Peter Schulze.
Gegen 01 Uhr GMT waren wir mit der DM-STM gelandet. Zwei Stunden später erfolgte der Start zur 3100 km entfernten brasilianischen Küste. Wilfried Noack und Heinz Martin waren für die Navigation zuständig. 25 Minuten nach dem Start war die Anzeige vom Funkfeuer Sal nicht mehr verwertbar. Für 3,5 Stunden musste der Kurs mit autonomen Navigationsmitteln berechnet werden. Nach ca. 3 Flugstunden gab es eine Funkverbindung mit "Recife Control". Die Funkkompass- und Radaranlagen der STM leiteten uns über die Inseln Sao Paulo und Fernando de Noronha.
Von der Insel Fernando bis zur brasilianischen Küste waren es nur noch 545 km. Am frühen Morgen, eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang, landeten wir als erste Interflug-Maschine in Brasilien.
Zunächst ein kühler Empfang vom Airport-Tower Recife. Crew und Anhang mussten Fragebögen ausfüllen sowie gültige Erlaubnisse und Flugzeugzulassungen nachweisen. Inzwischen galt es die erwärmte Innentemperatur der Passagier- und Frachträume mit Trockeneis zu senken, damit die kostbare Fracht nicht gefährdet wurde.
Nachdem der Airport-Kommodore eingetroffen war, änderte sich die Situation schlagartig. Alle Dienste erhielten grünes Licht. Der Bodenservice erfüllte unsere Wünsche und wir erhielten umgehend die Freigabe zum Weiterflug.

Flugroute

Flugroute der DM-STM am 17./18.07.1977

Nach dem Start in Recife führte die Flugroute mit südlichem Kurs entlang der Atlantikküste. Gut sichtbar waren die Flussmündungen sowie die größeren Städte.
Nach einer Flugzeit von 3 Stunden und 45 Minuten hatten wir die Guanabara Bay erreicht. Bei guter Sicht konnte man die attraktive Küstenlandschaft mit den vorgelagerten Bergen und den bebauten Uferstraßen der Millionenstadt Rio de Janeiro sehen. Hohe Konzentration im Cockpit. Für die Hauptlanderichtung von 140° gibt es wegen Sperrgebieten und der hohen Berge verschiedene Anflugverfahren. Die hohe Dichte im Flugverkehr erforderte für die Cockpit-Crew große Aufmerksamkeit beim Mithören des Funk-Sprechverkehrs und Beachtung des Flugverkehrs im Umfeld. Nach der Sinkfreigabe ging es mit  10 m/s abwärts, um in den elektronischen Gleitweg einzutauchen. Das Landeverfahren verlangte eine exakte Einhaltung der Landegeschwindigkeit von 400 km/h. Als wir schon in 80 m Höhe und etwa 1100 m vor dem Aufsetzpunkt waren, erhielt ein anderes Luftfahrzeug noch die Erlaubnis, auf die SLB zu rollen und zu starten. Auch wir wurden nach dem Aufsetzen aufgefordert, die Landebahn schnell zu verlassen. Unsere IL-18 wurde zum alten Flughafen geleitet, der als Frachtteil genutzt wurde. Es war Mittag. Die Außentemperatur betrug 28 Grad Celsius. Unsere viermotorige Iljuschin IL-18 erregte Aufmerksamkeit bei den Mitarbeitern des Flughafens. Die Turboprop-Maschine wirkte wie ein exotischer Vogel und lockte einige Neugierige an. Unsere Bodenservice-Wünsche wurden umgehend erfüllt.
Jenseits der Start- und Landebahn liegt der neue moderne Teil des Großflughafens von Rio. Dorthin führt eine Ufer-Umgehungsstraße. Wir mussten eine Einladung wahrnehmen und das moderne Terminal und die technischen Einrichtungen besichtigen. Die Zeit drängte jedoch zum Weiterflug. Beim Start überflogen wir eine sehr lange Autobahnbrücke, die L-förmig über die Guanabara-Bucht führt.
Hinter dem berühmten Zuckerhut ging es in eine Rechtskurve mit neuem Kurs in Richtung Montevideo. Bei Porto Alegre musste eine große Gewitterfront mit einer Ausdehnung von 120 km umflogen werden. Beim Rio Grande waren wir wieder auf dem richtigen Kurs entlang der Küste.

Nach dem Start unserer DM-STM in Rio de Janeiro waren wir inzwischen drei Stunden unterwegs in Richtung Argentinien. Eine halbe Stunde später konnte man eine Flussmündung auf dem Radarschirm sehen. Es war der Rio de la Plata. Unser Navigator hatte Funkkontakt mit "Montevideo Control". Wir durften die Reiseflughöhe verlassen und flogen in 2000 m Höhe über die breite Flussmündung in westlicher Richtung nach Buenos Aires. Mit der untergehenden Sonne erfolgte dann der Landeanflug über der Pampa-Ebene zum Flughafen Buenos Aires-Ezeiza, der südlich der argentinischen Hauptstadt liegt.
Drei Landebahnen sind im Dreieck angeordnet, wobei sich jeweils zwei Bahnen am Ende kreuzen. Auch hier herrschte dichter Flugverkehr. Unsere vorgesehene Landezeit 19.00 Uhr Ortszeit wurde lediglich um sechs Minuten überzogen.
Ein Fahrzeug leitete uns zum Standplatz, wo bereits Fahrzeuge mit Kühlcontainern auf uns warteten. Unsere Fracht wurde an einen Mitarbeiter des staatlichen Außenhandels übergeben. Zu den Abschlussarbeiten am Flugzeug gehörte auch die Ergänzung des Schmierstoffes an den Triebwerken.
Danach suchten wir unser Quartier auf. Das Hotel befand sich in unmittelbarer Flugplatznähe.
Am nächsten Tag wurde uns bestätigt, dass der Impfstoff ohne Qualitätsminderung über die lange Flugstrecke transportiert worden war.

Zum Rückflug nach Berlin waren wir mit maximaler Betankung, jedoch ohne Fracht und Passagiere, um 14.00 GMT mit der DM-STM auf dem Flughafen Ezeiza bei Buenos Aires gestartet. Zur IL-18 Doppelbesatzung mit der Flugnummer IF 1725 gehörten zehn Mann. Unsere Flugroute führte direkt von der argentinischen Hauptstadt zur ca. 4000 km entfernten Stadt Recife in Brasilien.

Bordingenieur Günter Wenzel, auch als "Schnurri" bekannt, absolvierte auf dieser Strecke seinen siebenmillionsten Flugkilometer. Dies war eine Leistung, die bei der Interflug nicht alltäglich war. Nachdem die Erinnerungs-Urkunde ausgefertigt war, würdigte unser Kommandant Peter Schulze in einer kurzen Ansprache die fliegerischen Leistungen unseres Jubilars. Ebenso fand eine kurze Auswertung des bisherigen erfolgreichen Fluges statt. Hierbei wurde auch der positive Anteil des mitfliegenden Technikers zum Gelingen des Frachtfluges gewürdigt. Unser Flugmillionär Günter wirkte anschließend in der Bordküche, um für uns ein schmackhaftes Menue mit Vorsuppe und Nachspeise anzurichten.
Nach einer Flugzeit von knapp acht Stunden erreichten wir kurz vor Sonnenuntergang den brasilianischen Airport Recife. Per Funk hatten wir unsere Ankunftszeit mitgeteilt. Unsere Wünsche wurden dort umgehend erfüllt. Nach kurzer Zeit war getankt und das Bordbuffet ergänzt. Danach war die DM-STM wieder startbereit und konnte den Atlantikflug in Richtung der Kapverden antreten.

Wir nahmen bald unsere Reiseflughöhe wieder ein. Die Wetterbedingungen waren ausgezeichnet. Unser nächster Überflugpunkt war die Insel Fernando de Noronha vor der brasilianischen Atlantikküste. Dann folgte eine längere Strecke ohne Bodensender bis zu den Kapverden. Hierbei war die exakte Arbeit der Dopplerradar-Anlage NAS-1B für unsere Navigatoren wichtig. Diese Anlage ermittelt durch den Dopplereffekt die exakte Grundgeschwindigkeit und Abtriftwinkel, sowie die Windwerte. Aber auch die Zuverlässigkeit der Bordradaranlage und der DME-Anlagen waren wichtig. Diese Bordanlagen arbeiteten bisher zuverlässig.

Nach knapp fünf Flugstunden erfolgte der Landeanflug auf der Isla de Sal. Dort erwartete uns eine ausgeruhte IL-18-Besatzung für den Weiterflug. Für die bisherige Crew war in Sal Arbeitsende. Nur nicht für mich, den mitfliegenden Techniker. Alle Bedingungen für den weiteren Rückflug waren ideal. Somit konnte die IL-18D der am 20. Juli 1977 von den Kapverden ohne eine weitere Zwischenlandung bis Berlin-Schönefeld fliegen.

Stempel
Flightdeck IL-18
Flightdeck IL-18

 

 

 

 

 

Nach der Landung der IL-18D DM-STM in Berlin-Schönefeld am 20.07.1977 gegen 15.00 Uhr wurde die Maschine, von dem mitfliegenden Techniker an einen Mitarbeiter der Prozessleitung der Werft übergeben. In einem Befundbericht waren Defekte und technischen Unzulänglichkeiten der DM-STM aufgelistet, die einschließlich der Atlantik-Sonderkontrolle bis zum zweiten Frachtflug zu erledigen waren. Der Abflug in Schönefeld war 36 Stunden später und erfolgte auch wie vorgesehen am 22.07.77. Sowohl Hin- als auch Rückflug dieses 2. Törns erfolgten ebenso pünktlich und ohne große technische Probleme.
Somit legte unsere robuste und zuverlässige IL-18D DM-STM innerhalb einer Woche 56 000 Flugkilometer zurück.
Dank der fliegerischen Spitzenleistungen der Mitarbeiter der IL-18-Staffe1 und der guten fachlichen Leistung der technischen Mitarbeiter der Werft Diepensee bei der Vorbereitung und während der Vorbereitung dieser Flüge konnte die Aktion "Masern-Impfstoffe für Südamerika" erfolgreich abgewickelt werden.

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Charterflug mit Passagieren für das Fischkombinat Rostock nach Uruguay im Mai 1984

Interflug hatte für das Fischkombinat Rostock einen Il-18-Charterflug nach Montevideo durchzuführen. Dort war der Austausch von Schiffsbesatzungen der Fischfangflotte vorgesehen. Dafür war der Einsatz der DM-STN als Langstreckenvariante geplant. Für die Passagiere eine billigere, aber recht strapaziöse Alternative zur IL-62.
Für die Vorbereitung und technische Betreuung während des Atlantikfluges waren die Ingenieure Frank Zehl und Joachim Leihbecher zuständig. Der Flugablauf war in drei Etappen unterteilt:

  • Berlin bis Las Palmas für die erste IL-18-Crew
  • Las Palmas bis Recife für die zweite IL-18-Crew und
  • Recife bis Montevideo für die dritte IL-18-Crew

Am 15.Mai 1984 flogen die zweite Crew und die Techniker als Besatzungsvortransport nach Las Palmas.
Zur zweiten Crew gehörten Cpt. Siegfried Prager, Co-Pilot Karl-Heinz Ross, Bording. Hubert Hoffer, Navigator Heinz Martin und 3 Stewardessen. In Las Palmas war am 17.Mai in den frühen Morgenstunden der erste Crew-Wechsel vorgesehen. Schönefeld teilte uns jedoch mit, dass sich die Ankunft der IL-18D DDR-STN, wegen Visaproblemen um 48 Stunden verzögert, Zeit für uns einen interessanten Busausflug zu unternehmen.

LPA
Das Flughafengebäude

Die Landung der Maschine mit Cpt. Hellwig und den Seeleuten erfolgte dann noch vor Sonnenaufgang. 40 Minuten später hatten Frank und ich bereits alle technischen Inspektionsarbeiten einschließlich der erforderlichen Bodenservicedienste abgeschlossen. 4.00 Uhr Local Time rollte die STN zum Start, mit Kurs 225 Grad an der afrikanischen Küste entlang in Richtung Kapverden. Den Flughafen Sal auf der Isla de Sal erreichten wir nach drei Stunden. Alle Bordanlagen arbeiteten bisher sehr präzise und zuverlässig. Nach dem Tankstop und einer sorgfältigen Flgzeug-Inspektion wurde die schwierigste Strecke anvisiert. In 8000 m Flughöhe und mit 600 km/h erreichten wir nach ca. 3 Stunden den nächsten Navigationspunkt die Insel Sao Paulo. Der weitere Überflugpunkt war die Insel Fernando. Rund sechs Stunden benötigte unsere STN von Sal bis zum Flughafen Recife in Brasilien.

 

Insprction

Bei sommerlichen Temperaturen in Recife übernahm die dritte Crew mit Kommandant Gerd Radig die IL-18D DDR-STN zum Weiterflug nach Montevideo.  90 Minuten nach der Landung erfolgte bereits der Start zur letzten Etappe von Recife nach Montevideo über ca. 3700 km mit dem Il-18-Oldtimer.

Die navigatorische Regie auf dieser Strecke führte Wilfried Noack. Von seinen Kollegen auch "Hekti" genannt. Als Bordingenieur wirkte Eckehard Mundte.
Flugstrecke

Während des Küstenfluges hatten wir bis Rio, wo kein Tankstop vorgesehen war, gute Wetterbedingungen mit Rückenwind. Nach ca. 4 Flugstunden mussten unsere Piloten mit Unterstützung der Bordradaranlage "Emblema" eine Lücke in einer Gewitterfront suchen, um den gefahrvollen Abschnitten der Gewitterzone auszuweichen.
Zwei Stunden später sorgte das Hauptgerät ZGW-4 für ein Stampfen der IL-18 während des Fluges. Mit Hilfe des Reservegerätes konnte dieser Mangel beseitigt werden.
Nach sieben Flugstunden konnten wir die Reiseflughöhe verlassen und den Landeanflug bei Montevideo einleiten.
Nach der Landung unterstützte uns „Ekki“ Mundte bei der Nachflugkontrolle, aber insbesondere bei der Ergänzung des Schmierstoffvorrates der vier Triebwerke.
Ich musste die Tonträgerspulen der beiden Anlagen MS-61 austauschen. Außerdem war ein Gerätewechsel des Horizontkreisels ZGW noch durchzuführen.
Ein Mitarbeiter der DDR-Botschaft ermöglichte eine zügige Einreise bei der Flughafenbehörde. Per Taxi fuhren wir in die City zur Unterkunft am Plaza Independencia. Im Hotel Victoria Plaza wurden die Zimmer bezogen, geduscht und dann gemeinsam mit der Besatzung im Restaurant gegessen.

Ein Blick an den südlichen Sternenhimmel mit dem hellen Sirius, dem Toliman und dem Kreuz des Südens beschloss den Abend.

ZGW
Vertikal-Kreisel-Zentrale ZGW

Am nächsten Tag war mittags um 12.00 Uhr Ortszeit die Abfahrt von unserem Quartier zum Flughafen Montevideo vorgesehen. Nach dem Frühstück unternahm ich mit Frank deshalb noch schnell eine Stippvisite in die Umgebung unseres Hotels. Das weiträumige Montevideo erstreckt sich am nördlichen Ufer des wasserreichen Rio de la Plata.
Fast 40 Prozent der Bevölkerung von Uruguay leben in der Hauptstadt. Wir liefen entlang der Uferstraße, die als Grünanlage gestaltet ist. Am Strandbad hatte man einen Blick auf den sehr breiten Fluss, dessen gegenüberliegendes Ufer nicht sichtbar war. Die Uferstraße mündete in eine größere Hafenanlage. Die Arbeitspflichten mahnten bald zur Umkehr ins Hotel. Dort tauschten wir das bequeme Zivil gegen die Uniform, um pünktlich zur Abfahrt bereit zu stehen.
Gegen 14.00 Uhr Lokalzeit hatten wir alle Punkte der Übernachtkontrolle für die Startvorbereitung der DDR-STN, einschließlich einer Sicherheitskontrolle, erledigt. Nachdem unsere Passagiere, die Seeleute vom Fischkombinat Rostock, ihren Platz eingenommen hatten, konnten wir den Rückflug mit der ersten Teilstrecke von Montevideo nach Recife antreten.
Nach ca. 3,5 Flugstunden flogen wir in 8000 m Höhe östlich an Rio de Janeiro vorbei. Auch bei dem weiteren Flugabschnitt hatten wir ideale Wetterbedingungen.
Recife erreichten wir nach einer Flugzeit von sieben Stunden. Dort wieder Arbeit für die Techniker: Tanken, Toilettendienst und eine Transitkontrolle. Alle Bordanlagen arbeiteten bisher sehr zuverlässig.
Für die nächste Flugstrecke bis zu den Kapverden und dem Weiterflug zu den Kanarischen Inseln, war die ausgeruhte Prager-Crew zuständig. Rückenwind unterstützte uns, als wir den Atlantik bis zu den Kapverden in 5 Stunden und 30 Minuten überflogen. Nach dem Tankstop auf dem Flughafen Sal wurde der nächtliche Flug mit nordöst1ichem Kurs fortgesetzt.
In Las Palmas wartete die Crew mit Kommandant Hellwig auf uns. Die Il-18-Crew, die auf der Strecke Recife – Montevideo - Recife tätig war, verblieb in Las Palmas. Neben den Boden-Service-Arbeiten mussten die KS-Behälter betankt und der Schmierstoff an den vier Triebwerken ergänzt werden.
Die sparsamen vier Triebwerke ermöglichten, dass wir von Las Palmas bis BERLIN durchfliegen konnten. Hierfür benötigten wir sieben Stunden.
Ein anstrengender Flug ging für die Techniker, aber auch für die Passagiere zu Ende. Wir waren über 30 Stunden auf den Beinen!
14 000 km mussten von den Passagieren auf einen Ritt ohne dem üblichen Komfort bewältigt werden.

Vermutlich haben sich die Seeleute geweigert unter diesen Bedingungen nach drei Wochen Urlaub erneut mit einer Interflug-IL-18 nach Montevideo zurückzufliegen. Denn der geplante Flug wurde gestrichen.

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Vortransport von IL-62-Besatzungen von Berlin nach Neufundland im Dezember 1987

Am 27.Dezember 1987 startete Kommandant Ulrich Kohl mit der IL-18D DDR-STN in Schönefeld nach Kanada. An Bord waren vier IL-62-Doppelbesatzungen für die Arkona-Aktion. In Havanna war der Austausch von 600 Passagieren des DDR-Luxus-Kreuzfahrtschiffes Arkona vorgesehen.
Dafür wurden am 29.12.87 vier Maschinen vom Typ IL-62 eingesetzt. Im Abstand von 30 Minuten flogen die IL-62 mit jeweils 150 Urlaubern nach Kuba mit einer Zwischenlandung in Gander.
Dazu mussten 60 Crewmitglieder, bestehend aus Cockpit- und Kabinenpersonal, im Vortransport nach Gander gebracht werden, damit sie ausgeruht ihre Arbeit am 29.12. auf der Linienflugroute Gander - Havanna - Gander aufnehmen konnten. In Havanna war für die vier IL-62 nur eine kurze Wendezeit vorgesehen.
Für die technische Sicherstellung des IL-18-Atlantikfluges war J. Leihbecher von der Flugtechnik verantwortlich. Als Zwischenlandeplatz des Il-18-Fluges am 27.12. war Keflavik auf Island vorgesehen. Vor dem geplanten Abflug um 06.15 Uhr in Schönefeld gab es Unzulänglichkeiten mit der Seenotausrüstung. Dadurch verzögerte sich der Start.

Karte
Am 27.12. mit nordwestlichem Kurs über das europäische Nordmeer nach Island

Morgens, ca.  7.00 Uhr war die I1-18D dann in Schönefeld gestartet. 90 Minuten später überflogen wir Malmö, um nach weiteren 90 Minuten bei Stavanger die norwegische Küste zu verlassen. Mit Kurs 307 ging es dann in Richtung der schottischen Shetland-Inseln. Über den Färöer-Inseln gab es den ersten Funkkontakt mit Keflavik. Dort erwartete uns schlechtes Flugwetter, gefrierender Nieselregen bei minus 2 Grad Celsius. Schlechte Sicht und niedrige Wolken. Mit Radar wurden wir auf die längste Start- und Landebahn 20 geführt. Fast sechs Stunden benötigten wir bis zur Landung.
Der Airport Keflavik NAS ist ein NATO-Stutzpunkt der US-NAVY, jedoch mit einem Zivilteil. Nach dem Wenden auf der SLB rollten wir an einer Reihe von Lockheed P-3 Flugzeugen vorbei, die als U-Boot-Such- und Bekämpfungsflugzeuge dienen. Die P-3 "Orion" mit großer Reichweite und Flugdauer bis 17 Stunden (10-Mann-Besatzung) verfügt über ein modernes Datenverarbeitungssystem für die militärischen Belange. Im Zivil-Terminal erwartete uns der Handelsrat und Geschäftsführer der DDR. Ihm waren irrtümlich 60 Seeleute mit dem Ziel Island angekündigt worden. Die Abfertigung erfolgte zügig. Nach einer Stunde rollten wir bereits wieder zum Start nach Neufundland.

KEFILS-Anflugverfahren auf dem Airport Keflavik NAS auf Island

Nach dem Start in Keflavik stiegen wir rasch auf die Reiseflughöhe von 8000 m. Unsere beiden Navigatoren Winfried Noack und Christian Oertel hatten auf der zweiten Teilstrecke von 3000 km tüchtig zu tun, um zeitweise ohne bodengebundene Funkfeuer zu navigieren. Über Grönland hatten wir ideales Flugwetter mit klarer Sicht auf die arktischen Eismassen.
Es gab aber Arbeit für den mitfliegenden Wartungstechniker. Ein geräuschvoller Ventilator der Bordradaranlage musste ausgetauscht werden. Der kreischende Ventilator DW-3 kühlte den Block 3 der Anlage RSPN-2, der in der linken Zwischenwand zum Cockpit untergebracht war. Kurz nach dem Ventilatorwechsel gab es Probleme mit der 2.Kurzwellenstation, am Bedienteil leuchtete das Tableau "Havarie". Das Thermorelais der Endstufe Block P4-MK hatte wegen Überlast angesprochen. Der Arbeitsaufwand beim Blockwechsel war nicht erheblich, da der Zugang zu den einzelnen Blöcken der KW-Anlage "Mikron" im rechten Geräteschrank in der 1. Passagierkabine günstig war.

Beim Überqueren der Labrador-See konnte man eine Vielzahl von großen schwimmenden Eisbergen sehen. Bei der Goose Bay erreichten wir das kanadische Festland. Am Funkfeuer Goose wurde die Flugrichtung stark verändert.

KEF-YQX

Mit südöst1ichen Kurs flogen wir dann nach Neufundland. Nach insgesamt sechs Stunden Flugzeit erfolgte bei guter Sicht der Landeanflug auf dem Airport Gander.

Noack

RPSN-2
Die Bestandteile der IL-18-Bordradaranlage RPSN-2 „Emblema“

Bei Sonnenschein war Kommandant Ulrich Kohl mit der IL-18D DDR-STN auf der SLB 04 des Airports Gander auf Neufundland gelandet und zum Standplatz 20 gerollt.
Mitarbeiter von Allied Aviation Operations waren kurz nach der Landung am Flugzeug, um alle Wünsche der Crew für die Servicearbeiten entgegenzunehmen. Neben den Inspektionsarbeiten musste der Wartungstechniker seine Ersatzteilkisten für die vier IL-62 im Office von Allied Aviation, dem Geschäftspartner von INTER­FLUG, stationieren.
Flugkapitän Walter Nembach, der als zeitweiliger Stationsmanager in Gander eingesetzt war, brachte umgehend die 60 Crew-Members zum Hotel  "Sindbad".Das Team Cpt. Nembach (Flugbetrieb) und Ing. Leihbecher (Flugtechnik) mussten 14 Stunden später auf dem Flug-Vorfeld intensiv rotieren, damit die 4 Flugzeuge IL-62 mit den Arkona-Passagieren und die IL-18D dann pünktlich starten konnten.

Sindbad
Der Interflug-Stützpunkt in Gander im Dezember 1987

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